[first published on Senfblog.de January 14th, 2013]

Kathryn Bigelow machte 2009 Geschichte als sie für das Meis­ter­w­erk “The Hurt Locker” als erste Frau den Oscar für die beste Regie bekam. Der Film um ein amerikanis­ches Bombe­nentschär­fungskom­mando im Irak bestach durch seine Real­ität­snähe und Bigelows unheim­lich gutes Gespür für Tim­ing. Außer­dem hat der Film der Regis­seurin das Attribut einge­bracht die besten “Män­ner­filme” (was für ein selt­samer Ruf) in Hol­ly­wood zu drehen, da sie vorher schon den genialen “Point Break” (1991) mit Keanu Reaves und Patrick Swayze (sein bester Film) und den unter­schätzten “Strange Days” (1995) mit Ralph Fiennes und ein paar weit­ere Action-geladene Filme gedreht hatte. Mit “Zero Dark Thirty” denke ich, dass Bigelow das Image wieder los wer­den wird, da der Film eine weib­liche Pro­tag­o­nistin hat und sich die Regis­seurin zumin­d­est ten­den­ziell eher als filmis­che Mil­itär­spezial­istin beweist. “Zero Dark Thirty” (der Titel ver­weist auf den Mil­itäraus­druck für 30 Minuten nach Mit­ter­nacht und gle­ichzeitig sym­bol­isch für die lange, dun­kle Mis­sion) ist ein CIA-Thriller der die Jagd nach Osama Bin Laden schildert und gle­ichzeitig den Druck und die Verzwei­flung einer solchen Auf­gabe auf das Indi­viduum, in Per­son Jes­sica Chas­tain (“The Tree of Life”). Der Film ist nominiert für nur fünf Oscars und darunter nicht ein Mal für Regie, was ich für einen kleinen Skan­dal halte, da “Zero Dark Thirty” wie schon “The Hurt Locker” ein absoluter Aus­nah­me­film ist.

2003, Pak­istan: Maya (Jes­sica Chas­tain) ist eine CIA-Agentin die seit den Anschlä­gen vom 11. Sep­tem­ber mit der Ver­fol­gung al-Qaidas betraut ist und jetzt einer SPur in Pak­istan folgt. Zusam­men mit dem Agen­ten Dan (Jason Clarke, “Pub­lic Ene­mies”) ver­hört sie Ammar (Reda Kateb, “Un Prophet”), einen Verdächti­gen mit Kon­tak­ten zu saud­is­chen Ter­ror­is­ten mehrmals. Zusam­men mit Dan kann Maya Ammar den “Abu Ahmed” ent­locken, der zunächst zum Ziel ihrer näch­sten Arbeiten wird. Maya steigt schnell auf als Agentin, zeigt sich jedoch frus­tri­ert von der Ein­samkeit des Jobs und den Auf­gaben eines “Single-Taskers”. Über eine Spanne von fast 6 Jahren über­lebt sie einen Bombe­nan­griff auf ein Hotel, einen direk­ten Angriff von mehreren Bewaffneten auf ihr Auto, ver­liert zahlre­iche Kol­le­gen und sieht ihren Job fast als been­det an, nach­dem das Gerücht aufkommt, dass “Abu Ahmed” seit Jahren tot ist. Es kommt her­aus, dass die Zielper­son noch lebt und das Gerücht nur auf Grund einer Ver­wech­slung mit dem toten Bruder in den Umlauf kam. Jetzt findet die CIA Ahmed und ver­folgt ihn zu einem großen Haus in Abbot­tabad in Pak­istan. Dort wird auch Osama bin Laden ver­mutet und nach monate­langer Überwachung wird trotz nicht 100%iger Sicher­heit ein Ein­satz durchge­führt, bei dem bin Laden getötet wird und sich die schier end­lose Mis­sion Mayas als Erfolg erweist. Am Ende sieht man Maya alleine in einem riesi­gen Flieger in Trä­nen aus­brechen, ent­lastet von dem Druck.

Bigelows Film kommt unheim­lich authen­tisch rüber (es ist schwer ‘Authen­tiz­ität’ als Begriff zu nutzen, aber wenn nicht hier, wann dann), was auch stark da dran liegt, dass die die Regierung der Regis­seurin und ihrem Team Zugang zu zahlre­ichen Akten gewährte. Der Film lässt sich sehr viel Zeit und alle Vorgänge und Ereignisse wer­den schein­bar in der Länge gezeigt, in der sie im wahren Leben passieren. So dauern die Folter­szenen fast 20 Minuten und wur­den stark kri­tisiert, da der Film ange­blich ‘Pro Folter’ sei, was abso­lut falsch ist, da hier schlicht real­itäts­ge­treu repro­duziert wurde. Das heißt nicht, dass die Szenen nicht schwer zu ertra­gen sind, aber nur weil die bru­talen Ver­höre zum Erfolg führen, heißt Bigelow Folter nicht für gut oder ähn­liches. Bigelow schafft es uns mit Chas­tain, alias Maya, auf die Reise zu nehmen und so ist am Anfang noch angewidert, wie die Pro­tag­o­nistin und am Ende fast schon rou­tiniert als wie der gefoltert wird. Bigelow und Chas­tain haben den Charak­ter der Maya angelegt als stille aber sehr selb­st­be­wusste junge Frau, die schein­bar kein Leben außer­halb des Berufs hat und eins wird mit der Auf­gabe bin Laden zu finden. Sie ver­traut eigentlich nur sich selbst und würde am lieb­sten auch am finalen Ein­satz, der Erstür­mung der Villa, teil­nehmen, um Fehler, wenn dann nur bei sich zu suchen. Dadurch, dass die Frau ihre Emo­tio­nen stets so ver­steckt und klein hält, ist der finale Moment in dem Maya anfängt zu weinen so stark und zeigt in einer Minute wie sehr diese Auf­gabe auf der Frau gelastet hat und wie stark der Druck war. Was passiert wenn ein solches lebens­fül­len­des Pro­jekt been­det ist; wenn alles wofür man gelebt hat inner­halb von Stun­den nicht mehr da ist? Der Film weiß immer wann er dem Zuschauer Pausen gön­nen muss und wann wieder Tempo gefragt ist; etwas was Bigelow schon bei “The Hurt Locker” per­fek­tion­iert hatte. Bigelows Ex-Mann ist James Cameron, der selt­samer Weise oder vielle­icht ger­ade deshalb quasi genau das Gegen­teil ist als Regis­seur von seiner Ehe­ma­li­gen. Cameron braucht immer Musik und schnelle Schnitte um Emo­tio­nen zu erzeu­gen beim Zuschauer, während Bigelows Drehbücher so gut sind, dass sie sel­ten auf diese Hil­f­s­mit­tel zugreifen muss und wenn dann haben sie ihre Berech­ti­gung. Meine Lieblingsszene in “Zero Dark Thirty” ist die schier end­lose Fahrt des Autos mit einem ver­meintlichen Infor­man­ten, was dann in der amerikanis­chen Mil­itär­ba­sis explodiert. Ohne Musik und nur durch lange Takes schafft es Bigelow mehr und mehr einem das Gefühl zu geben das etwas nicht stimmt. Dann läuft eine schwarze Katze vor dem Auto ent­lang und es ist klar: es wird explodieren. Da der Film einem die Terror-Angst vorher durch den Bombe­nan­schlag im Hotel so nah gebracht hat, ver­spürt man eine solche Vorah­nung. Bigewlow weiß genau was jeder Aspekt ihres Filmes beim Zuschauer macht (eine Qual­ität die in der Filmgeschichte nur sehr wenige Regis­seure bewiesen haben), ohne einem die Mit­tel zu offen­baren. Neben Chas­tain gibt es eine Reihe von weit­eren Stars wie James Gan­dolfini (“Sopra­nos”) oder Mark Strong (“Tin­ker Tai­lor Sol­dier Spy”), die sich jedoch nicht nach Cameos anfühlen, son­dern ihre Berech­ti­gung haben, weil die Schaus­pieler auf die Rollen passen, nicht nur weil sie große Namen haben, wie es beispiel­sweise Cameron beset­zen würde. Chas­tain steht den­noch am Ende als Aushänge­gesicht für den Film, aber auch weil sie so unheim­lich gut ist und der Film ver­sucht die Ein­samkeit des Berufs darzustellen. Greig Fraser, der Kam­era­mannn, der auch die Bild­sprache bei “Killing them Softly” inne hatte, findet ein extrem gesun­des Maß an Hand­kam­era– und Wack­el­bildern ohne dabei so zu ner­ven wie “The Hunger Games”. Teil­weise, vor allem bei der Erstür­mung der Bin Laden Villa, wirken die Auf­nah­men so echt, dass es erschreck­end ist und ich mich erin­nert fühlte an CNN Auf­nah­men von Kriegsre­portern. Der Film hat eine andere visuelle Ästhetik als “The Hurt Locker”, etwas weniger stil­isiert und nicht so ele­gant, aber den­noch total passend. Der Film braucht keine Kam­er­afahrten und durch kom­ponierte Sym­me­trie, son­dern Nähe, Aktion und Ruhe. Hier und da gibt es Mal musikalis­che Unter­malung, aber größ­ten­teils ist der Film getra­gen von Dialo­gen. Bigelow lässt uns Zuschauer Ein­blicke haben in mil­itärische Entschei­dung­sprozesse und ent­blößt dadurch die unge­heure Kom­plex­ität und den starken öffentlichen Ein­fluss. Men­schen­leben wer­den zu Zahlen und der Erfolg einer wichti­gen Mis­sion wird in Prozentzahlen berech­net bevor sie an den Präsi­den­ten ran getra­gen wird. Ander­er­seits zeigt Bigelow auch die per­sön­liche Ebene hin­ter all den bürokratis­chen Prozessen und wir sehen Sol­daten beim Hufeisen wer­fen, Jesica Chas­tain beim flirten und auch mal wie in einer Diskus­sion unter Anzugsträgern das Wort “Moth­er­fucker” fällt. Am Ende offen­bart “Zero Dark Thirty” aber vor allem was für ein schreck­lich großer Aufwand betrieben wurde um eine einzelne Per­son zu finden und wie viele Men­schen ster­ben dafür mussten . Der medi­ale Auf­schrei nach Vergel­tung nach den Anschlä­gen auf die Twin Tower ließ die USAeinen Krieg begin­nen der Zehn­tausende Men­schen das Leben gekostet hat und Bigelow zeigt, wie sehr es auch darum ging der Öffentlichkeit Köpfe zu präsentieren.

Bigelow hat mit “Zero Dark Thirty” einen weit­eren Meilen­stein gelandet, der meiner Mei­n­ung nach der klare Favorit für den Oscar als bester Film sein muss. Ich per­sön­lich mag “The Hurt Locker” lieber, auch wenn ich mir bei zwei solchen Meis­ter­w­erken keinen Qual­itätsver­gle­ich anmaßen mag. Der Film mag manchen zu lang­wierig sein, obwohl genau das ihn aus­macht. Er lässt sich seine Zeit und verdeut­licht dadurch auch wie schreck­lich lang­wierig und ermü­dend die Suche nach Osama Bin Laden war. Der Film hat für mich keine Schwäche und ist wegen seiner großen Dichte an Infor­ma­tio­nen, die man so nie bekom­men kön­nte, wirk­lich einzi­gar­tig. Bigelow ist eine der wichtig­sten Regis­seure unserer Zeit und “Zero Dark Thirty” einer der wichtig­sten Filme und hof­fentlich der Beginn der amerikanis­chen, cineast­is­chen Aufar­beitung des Afghanistankrieges.