[first published on Senfblog.de September 3rd 2012]
Normalerweise ist es so: Man sieht einen Trailer und bekommt das Gefühl der Film wird grandios, dann sitzt man Monate später drin und muss feststellen, dass die Vorschau die mit Abstand besten Szenen vorweggenommen hat und der Film die Erwartungen nicht erfüllen kann. Gute Trailer sind sehr leicht zu produzieren, da jeder noch so schlechte Film 90 Sekunden gute Bilder bietet. Dann noch ne tiefe Stimme im Voice Over und voila, du hast nen Trailer der anspricht. Bei Woody Allens neuer Komödie „To Rome with Love“ war es genau umgekehrt. Der Trailer ist der wahrscheinlich schlechteste Trailer im Hinblick auf den eigentlichen Film, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Und das meine ich genau so! Die mit Abstand flachsten Witze des Films, keinerlei Charme und kein erkennbarer dramaturgischer Faden.
Was Ihr jetzt schon rauslesen konntet, der Film ist gelungen. Es ist kein Meisterwerk wie „Manhattan“, „Sweat and Lowdown“ oder „Midnight in Paris“ (die Liste könnte noch um einige andere Namen erweitert werden) aber es ist eine wirklich gute Komödie, die im Gegensatz zu dem schrecklichen „Vicky Cory Christy Barcelona“ gekonnt mit Stereotypen umgeht.
In Rom treffen Touristen auf Einheimische und am Ende erzählt der Film nur ein paar Tage vielleicht eine Woche aus dem Leben von einigen von ihnen. Da wäre der reiche amerikanische Architekt (endlich wieder auf der Leinwand: Alec Baldwin) der in seine Jugendstadt zurückkehrt und den jungen Architekturstudenten (Jesse Eisenberg) in seinem Liebeswirrwar begleitet. Oder Woody Allen selber, der nach Rom reist um den zukünftigen Schwiegersohn (Flavio Parenti) zu treffen und dabei eines der größten, aber sehr eigenwilligen Talente der klassischen Musik entdeckt. Außerdem wird noch die Geschichte eines einfachen Paares erzählt, deren Wege sich in Rom durch Zufall für einen Tag trennen und beide vor ihrer bevorstehenden Hochzeit noch mal auf einige Proben stellt. Nicht zu vergessen Roberto Benigni, dessen Leben aus den Fugen gerät als Kamerateams den komplett grundlos entdecken und er zu dem Star in Rom avanciert. Dazwischen finden sich zahlreiche kleine Anekdoten über das Reisen und das Leben in typischer Allen-Manier.
In Episoden erzählt bringt einem Allen in seinem gefühltem 1588 Film nicht Rom näher, was manch einer durch die Beschreibung vermuten könnte, sondern eher den Stereotyp oder das Klischee an sich. Da wäre das Ausleben vor der Hochzeit, der typische Schauspieler, Amerika vs. Italien usw. Er zeigt einem in nie zuvor so konsequent filmisch ausgeführter Form den uns allen bekannten Gesang unter der Dusche, der übrigens nicht per Playback erklingt sondern wirklich so wundervoll gesungen wird von Fabio Armiliato, einem der erfolgreichsten Opernsänger der Welt. Auch die Geschichte um den jungen Architekturstudent der sich trotzaller Warnungen in die beste Freundin seiner Freundin verliebt lebt von dem Klischee. Ellen Page mimt die sexy Versuchung mit dem „gewissen etwas“ so gekonnt zwischen Poserei und Natürlichkeit, dass jeder Mann Eisenberg verstehen kann (inklusive Baldwins Charakter, dessen Geschichte es ja ist). Die Regielegende trifft genau die richtigen Töne zwischen alberner kreativer Auslebung und italienischem Charme. Permanent bekommt der Zuschauer das Gefühl Situationen zu begegnen, die zwar dramaturgisch extrem künstlich herbeigeführt werden, aber dennoch so viel Wahres enthalten, dass man die Grundstruktur des Stereotypen erkennt: Es ist es immer etwas wahres dran, aber es macht auch einfach verdammt viel Spaß ein Klischee in seiner Völle ausgelebt zu sehen. Allen gibt dem Zuschauer genügend Informationen um eine Situation und einen Charakter schnell zu erkennen, jedoch überrascht er einen dann wieder mit der Konsequenz mit dem er dieses Konzept verfolgt und durchzieht. Da wären wir auch schon bei einer der wenigen Schwächen des Films: das starke Entlanghangeln an Klischees und die stereotypischen Charaktere haben keine wirklichen „Stakes“ und man fühlt zwar Empathie, nicht jedoch genug, oder dass irgendeine Aktion in diesem Film eine Konsequenz haben könnte die einem Charakter schaden könnte. Es geht um nichts, bzw. wenn es um was geht, ist es so übertrieben dargestellt, dass man die wahren Gefühle nicht in dem Maß mitbekommt. Außerdem ist „To Rome with Love“ technisch wie viele Woody-Allen-Filmen wirklich nichts besonderes und lebt durch und durch von seinen Schauspielern und den Situationen.
Trotzdem bringt einen der Film immer und immer wieder zum lachen und bahrt auf der Metaebene so viel wahres in dem Abstrakten Konzept des Klischees, dass der Film funktioniert. Man muss hier nicht wie bei „Annie Hall“ mitfühlen, damit der Film aufgeht.