[first published on Senfblog.de December 17th, 2012]
Viel wurde diskutiert über die Verfilmung des Vorgängers der „Lord of the Ring“-Reihe, „The Hobbit“ von J. R. R. Tolkien und nun ist die unerträglich lange Wartezeit zu Ende. Nach einer extrem turbulenten Produktionsphase die von Chaos geprägt war, ist mit „The Hobbit: An Unexpected Journey“ nun der erste Teil der Trilogie um Bilbo Beutlin in den Kinos. Anfangs war Fantasy-Meister Guillermo del Toro („Pan’s Labyrinth“) als Regisseur für das Projekt geplant und hatte auch schon einen Großteil der Vorbereitung mitgemacht, verließ das Projekt dann jedoch nach zahlreichen Disputen über das Budget und der Diskussion um die Aufsplittung in mehrere Teile. So endete dann die Reihe wieder bei dem „Herr der Ringe“ Peter Jackson („Heavenly Creatures“). Dann kamen noch Schauspieler-Streiks hinzu und unheimlich schlechte Presse nach einem kleinen Preview auf der diesjährigen Comic-Con in San Diego; es kann also getrost gesagt werden, dass das Projekt unter extrem schlechten Vorzeichen stand. Der Film beschert uns Zuschauer auch mit etwas wirklich noch nie dagewesenem: 48frames in der Sekunde. Peter Jackson entschied sich zu der doppelten Bildrate, da es angeblich dem 3D zuträglich sei. Leider merkt man „The Hobbit: An Unexpected Journey“ die Probleme bei der Vorbereitung sehr an und die unheimliche Geldgier der Studiobosse, die uns 3D und die Aufteilung auf 3 Teile brachte, gab dem Film den Todesstoß ins schlechte Mittelmaß.
Der erste Teil der Trilogie erzählt von dem Zusammentreffen von Bilbo Beutlin (Martin Freeman, bekannt aus der großartigen Mini-Serie „Sherlock“), Gandalf (Ian McKellen, „X-Men“) und den Zwergen bis zu der ersten Schlacht mit Azog, dem Orc-Anführer. Gandalf muss den scheuen und gemütlichen Hobbit, Bilbo, anfangs noch überzeugen auf das Abenteuer mitzukommen, jedoch erweckt die Neugier schnell dessen Energie. Das Ziel der Reise ist die verlassene Heimat des Zwergenvolkes. In einem Rückblick wird uns erklärt, dass ein Drache namens Smaug die Höhlen der Zwerge einnahm und das dort liegende Gold seit 60 Jahren bewacht. Dadurch machte er die Zwerge zu Nomaden und Gandalf möchte den mutigen 13 Kämpfern helfen bei der Rückeroberung ihrer Heimat. Als Mantel für die Geschichte dient der alte Bilbo (Ian Holm), der die Geschichte aufschreibt und zurückblickt auf das große Abenteuer seines Lebens. Der Film konzentriert sich sehr auf den inneren Konflikt Bilbos und dessen Berechtigung als Mitglied der Truppe. Der Zwergen-Prinz Thorin (Richard Armitage, „Captain America: The First Avenger“) zweifelt stark an dem kleinen Hobbit und dieses Verhältnis dominiert die zweite Hälfte des Films. Generell sieht man die Charaktere sehr viel beim wandern und das was in den „Lord of the Ring“-Filmen nur einen Zwischenteil einnahm ist hier in „The Hobbit: An Unexpected Journey“ gefühlte 90% der Handlung.
Das große Problem dieses Films ist die schon angedeutete Langwierigkeit. Es passiert einfach viel zu wenig für einen so langen Film und wenn mal etwas passiert, dann wirkt es oft sehr künstlich herbeigeführt. Es wäre gelogen wenn ich behaupten würde, dass mich der Film gar nicht im geringsten einnahm, weil das schafft er schon an manchen Stellen. Man freut sich auch auf den nächsten Teil, aber er ist trotzdem durchsetzt von Schwächen. Es ist mehr die Geschichte an sich, also das Buch von Tolkien was einen fesselt, als der Film selber. Bilbo ist einfach nicht interessant genug in diesem Film, als dass man wirklich mit dem Charakter eine Verbindung aufbauen könnte. Anfangs als er noch im Auenland ist, wirkt er wie Charly Chaplin und dann bei dem Rest der Handlung ist er halt irgendwie immer anwesend. Bis er auf Gollum (Andrew Serkis) trifft und der Film ihm endlich mehr Aufmerksamkeit gibt, vergehen 4/5 der Handlung. Schade ist auch wie Gandalf angelegt wurde: Nicht dass Ian McKellen nicht komplett überzeugt, sondern dass Gandalf hier teilweise mehr wie ein Hogwarts-Schüler wirkt als wie der mächtige Magier der er ist. Man spürt viel zu selten seine Autorität und das mystische was diesen Charakter ausmacht. Der Auftritt von Cate Blanchett als Galadriel könnte kitschiger nicht sein, aber man freut sich trotzdem die alte Bekannte wiederzusehen. Ich habe mir fast noch nie (außer bei „The Dark Knight Rises“) so sehr gewünscht einen Film zu mögen, aber man kann einfach nicht über die Fehler hinwegsehen, da sie so schrecklich groß und auffällig sind. Die Zwerge sind einfach zu viele, so dass es unmöglich ist auch nur einen ausser dem Anführer Thorin beim Namen zu nennen. Im Gegensatz zu der „Lord oft he Ring“-Filmreihe, wo mit Pippin, Samweis, Aragorn und allen anderen eine große Riege an spannenden Nebenfiguren waren, ist hier keiner auch nur so besonders oder eigen, als dass man sich an ihn erinnern würde. Bei ein paar Zwergen hatte ich permanent das Gefühl sie zum ersten Mal zu sehen und das ist mehr als schlecht für die Empathie. Es passiert einfach insgesamt zu wenig in diesem Film und hatte ich noch bei der „Lord of the Ring“-Filmreihe immer das Gefühl sie könnte noch Stunden gehen, so habe ich hier den Wunsch, dass es früher vorbei ist. Ein Film hätte der Handlung des Buches vollkommen gerecht werden können, man nehme nur die drei „alten“ Filme als Beispiel wie mit Konzentration und Überlänge locker auch größere und komplexere Bücher verfilmt werden können. Die Kämpfe zwischendurch und kleinen Anekdotenartige Begegnungen retten uns Zuschauer davor komplett wegzunicken. Aber dennoch können sie nicht über das offensichtliche hinwegtäuschen: drei Filme sind Schwachsinn und dummdreister Diebstahl der Studio-Schweine. Es gibt keinerlei Rechtfertigung, außer dem finanziellen Aspekt der Verdreifachung der Einnahmen. Ich würde mir einfach mal wünschen, dass man so ehrlich ist und so etwas einfach zugibt. Jeder weiß es und es ist lächerlich Peter Jackson beim Stottern zuzuhören wenn er versucht sich zu erklären.
Wenn wir schon bei dummdreist sind, dann kommen wir doch zu der Entscheidung den Film in 3D zu drehen und zu zeigen. Um es kurz zu machen, es ist genauso unnötig und schlecht wie bei dem schlechtesten Film diesen Jahres, „Die Vermessung der Welt“ von Detlef Buck. Nur weil hier und da mal ein Funke springt oder ein Vogel durch den Vordergrund fliegt, ist 3D nicht die richtige Methode. Es macht für diese Handlung einfach keinen Sinn und hat keinen verstärkenden Effekt, sondern das Gegenteil tritt ein. Es nervt einfach tierisch diese Brille zu haben und bereitet Kopfschmerzen. Die Entscheidung den Film digital in 48 Bildern in der Sekunde zu drehen war schlichtweg falsch. Da gibt es keinen Raum zur Diskussion und ich hoffe doch sehr, dass dieser Film das Begräbnis für die Technik ist, bis sie ausgereift genug ist. Es ist nicht akzeptabel, dass ein so toller Stoff als Testwiese für eine neue Technik hinhalten muss. Es sieht gelinde gesagt entsetzlich schäbig aus. Schon bei der „Lord of the Ring“-Filmreihe hatte Jackson gezeigt, dass er keinerlei Gefühl hat für Aufnahmen von leidenden Menschen (Komparsendirektion gleich 0) und ein Teil der Aufnahmen beispielsweise von Rohann und seinen Bewohnern sehen einfach lächerlich aus (keine Angst, ich liebe die Filme trotzdem). Aber was Jackson hier verschandelt hat ist unglaublich. Dieser Film sieht so grotesk dilettantisch aus, dass es Fremdschämen hervorruft. Vielleicht kennt der eine oder andere noch die Serien „Xena“ oder „Hercules“ die Samstag nachmittags auf RTL liefen; die sehen realistischer aus als „The Hobbit: An Unexpected Journey“ in 48 frames. Teilweise sieht man die Schminke der Schauspieler (das muss man sich mal bei einem der teuersten Filmprojekte aller Zeit vorstellen) und generell sind diese HD-Aufnahmen einfach falsch für eine Geschichte dieser Art. Das Mittelalter-ähnliche Setting braucht den körnigen Look und die intensiven Farben (nicht wie hier neonartig oberflächlich intensiv), den nur Filmmaterial bietet. Die „Lord of the Ring“-Filmreihe hat gezeigt wie Mittelerde aussehen muss. Hier wird alles durch den Look neu verortet und uns Bekanntes müssen wir erst wieder entdecken, was dem wahren Fan tief ins Herz sticht. Oft sehen die Aufnahmen aus wie aus einem Computerspiel und vor allem die Zwergenstadt oder die Episodebei den Elben geben einem das Gefühl eine dieser billigen Ingame– (Grafik aus dem Spiel selber) Werbespots für „World of Warcraft“ oder ein anderes Computer-Spiel zu sehen (siehe das beigefügte Bild). Beim Film ist die Technik dafür da den Inhalt zu übersetzen und man muss sich immer fragen, was die beste Art ist etwas umzusetzen. Hier ist 3D in 48frames definitiv nicht die beste Art sondern ein riesengroßes Manko, was mich fast dazu gebracht hätte dem Film gar keine Chance zu geben. Die ersten 15 Minuten waren so schrecklich durch diesen visuellen Stil, dass ich mit mir gerungen habe und nah dran war den Saal verlassen zu wollen. Als Gandalf und die wunderschöne Cate Blanchett zusammen treffen sieht das ganz wirklich aus wie eines dieser entsetzlich kitschigen Paint-Brush-Bilder, die man auf Flohmärkten kaufen kann und ich habe die ganze Zeit auf Delfine, Wölfe oder ein Indianergesicht neben dem Vollmond gewartet. Andrew Lesnie, der seit „The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring“ alle Peter Jackson-Filme gemacht hat, findet nicht wie damals die tollen Bilder, die ihm einen Oscar einheimsten. Die Bildsprache wirkt nicht so konzentriert und ist durch die schrecklich künstlich anmutenden Landschaften einfach schwer zu anzunehmen. Noch bei den „Lord of the Ring“-Filmen ließ ich Peter Jackson seine Zeitlupen-Montagen und war vollkommen damit ok, dass ich mir als Zuschauer dem Stilmittel des Regisseurs bewusst bin, weil die Stakes (worum geht es den Charaktern einer Story eigentlich; what is on the line?) der Geschichte angebracht waren. In diesem Film sind die Stakes einfach nicht hoch genug und man spürt nicht, was man spüren muss um verzaubert zu werden und mit den Charakteren zu leiden, kämpfen und wandern. Daher wirkte der Endkampf auch so lächerlich, weil die Zeitlupen nicht gerechtfertigt waren. Jackson schafft es einem nicht die WIchtigkeit dieser Mission vor Augen zu führen. Hier hat ein Drache Zwergengenozid betrieben und man spürt nichts von dem Stolz, der Trauer und den Emotionen die die Zwerge in sich tragen. Auch die Musik steht dem filmischen Vorgänger nach. Zwar erinnert sie stark an die „Lord of the Ring“-Teile, aber ist dann doch in gewissen, aber entscheidenden Nuancen so geändert, dass sie einfach nicht mehr so catchy ist und einen so verzaubern kann.
Ich bin sehr enttäuscht und dennoch freue ich mich auf den zweiten Teil, aber eigentlich auch nur weil ich hoffe, dass mehr passieren wird im nächsten Film. Es ist fast nicht zu glauben, dass dieser Film vom gleichen Filmemacher der „Lord of the Ring“-Reihe ist, weil er so unfokussiert daherkommt. Der Look ist das absolut schlechteste was ich in Jahren gesehen habe und ist hoffentlich ein sehr großes Stop-Schild für die Studios, bis die Technik gut genug ist. Bitte Peter mache es noch ein Mal! Jetzt ist der erste Film raus und er ist schlecht, aber nutze die Chance noch schneiden zu können und konzentrier dich auf Bilbo und gib uns mehr Action, selbst wenn das nachdrehen heißt. Es gibt Momente da muss man lachen und da kommt dann kurz das Gefühl der Vorgänger-Filme auf, aber das sind leider nur kurze Augenblicke.