[first published Senfblog.de November 5th, 2012]
“Skyfall“ ist der 24. James Bond Film, wenn man mal den ersten „Casino Royal“ beiseite lässt und dafür den tollen „Never say Never“ mitzählt. Seit Sean Connery auf Jagd nach Dr. No ging, sind inzwischen 50 Jahre vergangen und keine Filmreihe hat uns mit solch einer Konstanz begleitet. Die Filme sind Zeugen des Zeitgeschehens und Spiegel sowie Bestandteile unserer Kulturgeschichte. Zum Jubiläum waren die Erwartungen verständlicher Weise sehr groß und Sam Mendes war der Mann der diese im Regiestuhl erfüllen musste. Bisher hat Mendes außer in einigen Szenen in „Road to Perdition“ keine Erfahrung mit Action gemacht und ist vor allem für die Familien-Dramen „American Beauty“ und „Revolutionary Road“ anerkannt. Mit „Skyfall“ reiht er sich in die Riege der ganz großen Regisseure, die mehrere Genres beherrschen, ein. Der Film schafft genau die richtige Mischung aus retrospektiver Nostalgie und moderner Unterhaltung, die ein halbes Jahrhundert 007 verdient hat.
Der Film öffnet mit einer sehr beeindruckenden Verfolgung durch Istanbul bei der James Bond (Daniel Craig) und eine weitere Agentin, Eve (Naomie Harris), eine gestohlene Festplatte wiederbeschaffen sollen, auf der die Identitäten aller Undercover-Nato-Agenten, die in Terrororganisationen eingeschleust sind, enthalten sind. Bond wird aus Versehen von Eve angeschossen und taucht danach für Monate in die Anonymität des vermeintlichen Todes unter und genießt die wilden Seiten des Lebens. Nachdem ein Bombenanschlag auf das MI6-Gebäude in London stattfindet, kehrt er zurück um gemeinsam mit M (Judi Dench) den Täter zu stellen. Gareth Mallory (Ralph Fiennes), der neue Geheimdienstkoordinator, möchte M zum ehrenhaften Rücktritt nach dem Datenverlust-Fiasko bewegen. Bond ist auf Grund seines ausschweifenden Lebensstils der letzten Monate eigentlich nicht mehr geeignet für den Dienst und M setzt ihn trotz einer durchgefallenen Eignungs-Prüfung und dem Widerwillen Mallorys entgegen, wieder für den Außendienst ein. Die Spur der Festplatte führt Bond nach Shanghai und dann nach Macao zu der mysteriösen Sévérine (Bérénice Marlohe), die den Auftraggeber des Festplattendiebstahls kennt. Inzwischen wurden im Internet die ersten fünf Namen von Agenten veröffentlich und auf Ms Computer tauchen immer wieder Kurznachrichten auf, die auf Missverhalten in ihrer Vergangenheit deuten. 007 wird von der Schönheit auf eine entlegene Insel mitgenommen und dort trifft Bond Raoul Silva (Javier Bardem), den Datendieb. Silva war früher auch ein 00-Agent und wurde bei einem Auftrag von M im Stich gelassen und sinnt jetzt nach Rache. Bond kann Silva stellen und ihn mit Verstärkung zurück nach London bringen. Doch dort bricht dieser aus dem Gefängnis aus und legt das Sicherheitssystem vom MI6 lahm und es wird deutlich, dass alles von ihm geplant war. Bond flieht mit M in sein elterliches Landhaus in Schottland fernab von Internet und Überwachungskameras und bereitet sich dort mit dem Wildhüter Kicade (Albert Finney) und M auf den Angriff von Silva vor.
Der Film beginnt bereits mit der Jagd durch die türkische Metropole mit wirklich hochklassigem Action-Kino. Roger Deakins, der Stammkameramann der Coen-Brüder und neunfach Oscar nominierte Filmlegende, musste sich Kritik für seine Bildsprache bei „Skyfall“ gefallen lassen, was ich überhaupt nicht verstehen kann. Deakins ist kein Action-Experte, aber beweist, dass er das Genre beherrscht. Denn die Kamerasprache erinnert an das alte Actionkino und ist entgegen „Quantom of Solace“ nicht auf Effekthascherei gepolt. Als Jubilar der permanent mit Verweisen auf die alten Filme spielt braucht „Skyfall“ genau diese ruhige Kamera, da die wenigen aber sehr gelungenen Action-Szenen, schon selber genügend Dynamik reinbringen. Bond wird in „Skyfall“ gezeigt als verletzlicher, gealterter Antiheld und das Motiv des Alterns ist etwas das Mendes immer wieder auftreten lässt: Das Gemälde in dem ein altes kaputtes Schlachtschiff von einem neuen Schiff weggezogen wird, die Hundeporzellan-Figur, Albert Finney als Wildhüter, das Haus in Schottland und so weiter. Die Filmreihe ist 50 und hat einiges erlebt und der Film ist irgendwie auch eine Reise durch die Bond-Geschichte. Da wäre die Insel aus „Dr. No“, der obligatorische Auftritt von 007 im Casino und dann Javier Bardem. Der Spanier, der ohne Frage zu den ganz großen Schauspielern unserer Zeit gehört, legte gemeinsam mit Mendes die Rolle von Silva irgendwo zwischen Heath Ledgers Joker, Klaus Maria Brandauer in „Never say Never“ und Ernst Stavro Blofeld, dem Superbösewicht (in sechs Filmen der Gegenspieler), an. Der Böse hier ist anders als alle vorigen Bond-Gegner; da ist etwas was verrückter ist und böser als alles zuvor. Dadurch das sein Ziel so persönlich ist, Rache an M, und die restlichen Toten und das Chaos nur Mittel zum Zweck, entwickelt die Geschichte eine neue Ebene; Bond als Bodyguard und nicht als Spion oder Geheimagent. Es geht nicht wie sonst um Weltmacht oder –zerstörung, sondern nur um M, Bond und Silva. Sam Mendes lässt Bond antworten wie er es immer macht, auf eigene Faust entgegen der Regeln. Er entzieht sich der Technikstadt in sein Elternhaus in Schottland und bereitet sich dort fernab von den Greifarmen des Internetbösewichts Silva auf den Angriff vor. Wie schon in Sam Peckinpahs verstörendem „Straw Dogs“, bereitet sich der Held im alten Haus auf den Angriff der Wüstlinge vor um eine Frau zu schützen. Am Ende schafft es Mendes Rührung beim Zuschauer hervorzurufen: Der unvermeidbare Tod der Mutter, M, als gealterte Idealistin in den Armen ihres Sohnes, Bond. Craig geistert hier nicht so hilflos wie beim lettzen Bond durch den Film und besticht mit der richtigen Mischung aus weniger Muskeln, Charme und dem gewissen Etwas was vorher nur Moore und Conneryhatten.
Die Geschichte erlaubt sich nach der Jagd durch Istanbul und dem großartigen Opening-Credits eine ungewohnt lange Pause bis wieder Action aufkommt. Während in den ersten 30 Minuten die Dialoge noch etwas hölzern wirken, pendeln sie sich auf ein angenehmes Level ein, irgendwo zwischen Humor, Nostalgie und Inhalt. Eine der wenigen Schwächen dieses Films ist Q, gespielt von Ben Wishaw („Perfume“), der als junges Technikgenie dem alternden Protagonisten ein frisches Gegengewicht bieten soll. Anstatt originelle Innovationen vorzustellen drückt er Bond eine Knarre in die Hand, erzählt wie gut er hacken kann, um dann durch einen eigenen Fehler Silva die Chance zu geben sich in das Sicherheitsnetz des MI6 zu hacken. Die Figur des Q muss nicht zwangsläufig alt sein, aber sie muss intelligent sein und das ist man nicht durch eine Brille und Schlagfertigkeit. Außerdem fehlt es wirklich in dieser großen Hommage an die Bond-Reihe keine Erfindung des Technik-Genies zu sehen (die blöde Walther mit Fingerabdruck-Bla zählt jetzt mal nicht, da wir sie in jedem Trailer schon gesehen haben).
Wenn die nächsten zwei Daniel Craig-Bonds auch nur annähernd so gut werden wie dieser bin ich zufrieden. Mendes kreiert eine große Hommage und das ohne sich in Zitaten zu verlieren. Auf Chaos antwortet Bond selber mit Chaos und neuerdings auch Flucht. Die Figur ist verletzlich, körperlich gealtert und selbstreflexiv. Gleichzeitig übertreibt es Mendes nicht wie der schreckliche Vorgänger „Quantum of Solace“ mit der Schwäche seiner Hauptfigur. Es ist schließlich immer noch James Bond, der beste Agent aller Zeiten. „Skyfall“ gehört nach ganz oben in eine Reihe mit „Dr. No“, „Thunderball“ und „Moonraker“. Für jeden Liebhaber der Bond-Filme ist „Skyfall“ ein absolutes Muss und für alle Action-Liebhaber auch; der Beweis für gutes Unterhaltungskino. Der erste Auftritt von Javier Bardem mit der Rattengeschichte und der Endkampf in Schottland sind wirklich geniale Szenen und ungewohnt für einen solchen Big Budget Film und hier muss den Produzenten und Mendes Respekt gezollt werden, sich so etwas zu trauen.
Fazit: sehr gelungener 24. Bond-Film, der die perfekte Mischung aus klassischem 007-Abenteuer und Moderner Unterhaltung ist