Wer schon ein paar Kri­tiken von mir gele­sen hat weiß, dass ich dazu neige bes­timmte Filme vor mir her zu schieben, so wie andere Gespräche mit der Ex. So war es auch mit „Les amours imag­i­naires“ (im englis­chen “Heart­beats”), dem zweiten Film vom kanadis­chen Jung-Regisseur Xavier Dolan. Nach seinem Über­raschungser­folg „J’ai tué ma mère“ 2009, indem er auch die Haup­trolle spielte, drehte er nur ein Jahr später den Film über eine unglück­liche Dreiecks-Liebesgeschichte. Wie auch der Debüt­film, lief „Les amours imag­i­naires“ in Cannes und auf zahlre­ichen anderen renom­mierten Fes­ti­vals und der Regis­seur hat inzwis­chen eine beachtliche Fange­meinde um sich geschart. Der Grund warum ich den Film mied ist ein­fach: ich halte Dolan für über­be­w­ertet und glaube, dass er genau wie seine Filme ein­fach Teil der glob­alen Hipster-Bewegung sind (die ja irgend­wann auch endlich wieder vor­bei ist). „Les amours imag­i­naires“ ist kein schlechter Film, aber er ver­schenkt sehr viel Poten­tial und kommt nicht über ein paar schöne Momente hinaus.

In „Les amours imag­i­naires“ wird die Geschichte von der kurzen aber inten­siven Dreiecks-Geschichte um Frances (Xavier Dolan), Marie (Car­ole Mon­dello) und Nico­las (Daniel Morin) erzählt. Marie und Frances sind schon länger befre­un­det und ler­nen beide bei einem Essen unter Fre­un­den den attrak­tiven Nico­las ken­nen. Sofort sind beide fasziniert von dem blonden androg­y­nen Mann und suchen seine Nähe. Jedoch wis­sen weder Marie noch Frances wie sie ihn für sich gewin­nen kön­nen und verir­ren sich in Buh­lereien um Nico­las. Am Ende scheit­ern beide auf ihre Weise, da Nico­las weder schwul ist, noch Inter­esse an Marie hat. Nico­las zieht dann nach Asien und die bei­den Fre­unde näh­ern sich wieder an. Zwis­chen diesen Episo­den sind immer wieder junge Men­schen zu sehen die von gescheit­erten Beziehun­gen und Ver­hält­nis­sen sprechen und als Art Brücke fungieren sollen. Im Epi­log sind erneut Frances und Marie zu sehen die ein Jahr nach den Ereignis­sen gemein­sam auf einer Party sind, auf der auch Nico­las erscheint. Die Bei­den ignori­eren ihn und ent­decken einen anderen hüb­schen Nicolas-ähnlich sehen­den schwarzhaari­gen Mann.

„Les amours imag­i­naires“ funk­tion­iert auf eini­gen Ebe­nen, jedoch auf den meis­ten lei­der nicht. Xavier Dolan ist wirk­lich glaub­haft in der Rolle des Frances, während seine bei­den Gegenüber sich durch den Film glotzen. Daniel Morin, als Nico­las, macht wirk­lich nichts in diesem Film außer gut auszuse­hen und sich ab und zu auf die Lippe zu beißen. Car­ole Mon­dello reißt immer wieder die Augen groß auf und zieht an Zigaret­ten. Dass mag bei­des gut ausse­hen, aber es schafft keine Charak­tere. Ich habe jetzt schon ein paar Mal gele­sen Dolan wäre inno­v­a­tiv oder würde etwas neues machen. Dem muss vehe­ment wider­sprochen wer­den, da der Regis­seur sich extrem auf alt­be­währtes ver­lässt und in „Les amours imag­i­naires“ nie exper­i­men­tiert: Es ist klar, dass schöne Men­schen auf der Lein­wand gut ausse­hen und auch Zigaret­ten­rauch hat was. Genauso sind Zeitlu­pen­bilder unter­legt von klas­sis­cher Musik oder ähn­lichem ein so der­maßen infla­tionär benutztes Mit­tel. Dolan spielt viel mit durchkom­ponierten Bildern und Unschär­fen und es fühlt sich alles irgend­wie so wie ein Instagram-Fotoalbum auf Face­book an. Die Kam­er­afrau Stéphanie Anne Weber Biron hat Gefühl für Kom­po­si­tio­nen aber ver­liert sich oft in Far­bkom­bi­na­tio­nen und Werbespot-Nahaufnahmen. Was man Dolan, der auch das Drehbuch schrieb, aber zugeste­hen muss, ist dass er ein wirk­lich gutes Gefühl für Dialoge hat. Außer den teil­weise sehr schlecht gespiel­ten Aus­flü­gen (irgendwelche Schaus­pieler die über Beziehun­gen reden; wirkt hier total unpassend)  zwis­chen der eigentlichen Geschichte, schafft es Dolan authen­tis­che aber trotz­dem gehaltvolle intel­li­gente Gespräche entste­hen zu lassen. Auch wenn es bei Morin und Mon­dello oft etwas unecht wirkt, sind die Dialoge gut geschrieben. Aber Dolan schafft es einem nicht einen dieser Men­schen wirk­lich nah zu brin­gen und man ver­steht nicht, wieso zwei Men­schen ihre Fre­und­schaft aufs Spiel set­zen für ger­ade diesen Nico­las. Da der Film voll Mod­els ist, was soll beson­ders an diesem Typen sein? Und, ja, man muss es wis­sen, weil man sonst nicht mit­fühlt mit Frances und Marie.

Bei der visuellen Umset­zung des Stoffes macht Dolan einen wirk­lichen Denk­fehler, denn Zeitlupe ist nicht gle­ich Emo­tion. Es ist lediglich ein auf unser Sehge­wohn­heiten angepasstes alt­be­wusstes Stilmit­tel, dass oft funk­tion­iert und dadurch viel zu oft benutzt wird. Jedes gefühlt dritte Youtube-Video nutzt es, jeder zweite Werbespot und so weiter; Dolan ertränkt jede Szene zumin­d­est zeitweise in ver­langsamten Bildern. Im Film müssen Gefühle aber aus der Geschichte her­aus pro­duziert wer­den und kön­nen durch solche Effekte ver­stärkt wer­den. Dolan ver­sucht genau das Gegen­teil und ver­schenkt so die Momente in denen wir wirk­lich an die Charak­tere heran kön­nten. Die Vor­bilder von dem Regis­seur sind klar erkennbar. Er ver­sucht Dialoge wie Rohmer oder Allen mit Werbefilm-Ästhetik zu über­set­zen und dann wieder Mon­ta­gen wie Taran­tino rein­streuen. In mehreren Bettszenen, bei denen Marie und Frances mit One Night Stand-Partnern sehen, sind die Bilder in Far­ben getränkt, wie bei Godards abso­lut großar­tigem „Le mépris“. Doch was Dolan nicht schafft ist aus den Zitaten einen Film zu machen. Er ver­liert sich in Spiel­ereien mit bekan­nten, lang­weili­gen Stilmit­teln und ver­liert den Blick für das Entschei­dende, seine Charaktere.

Am Ende ist „Les amours imag­i­naires“ von einem Hip­ster für Hip­ster. Die Fig­uren reden über Möbel, sehen alle aus wie aus einem H & M-Katalog und der Look ist der einer Zigaret­ten­wer­bung. Wie bei einem Hip­ster sind einzelne Ele­mente inter­es­sant und schön, aber im Ganzen wirkt es arro­gant und lächer­lich. Dolan ist tal­en­tiert und ich würde mir wirk­lich wün­schen, dass er sich nicht per­ma­nent in diesen aufge­blähten Zeitlu­pen­mo­menten ver­lieren würde und sein visuelles Gespür mit besseren Fig­uren und Schaus­piel­ern unter­füt­tern würde. Der Film müsste nicht in Kanada spie­len son­dern kön­nte genauso gut in Neukölln oder Pren­zlauer Berg in Berlin stat­tfinden, wahrschein­lich wür­den sie ihn dort sogar vergöt­tern, da es nur um ober­fläch­liche Schön­heit geht bei dieser Bewe­gung. Auf der Ober­fläche besteht dieser Film, doch unter dem Sen­f­glas geht er ein.