[first published on Senfblog.de September 10th 2012]
Was in den letzten Jahren passiert ist und sich im Moment in Spanien und Griechenland auslebt ist die größte Finanzkrise aller Zeiten. Man kann als deutscher Student unberührt von Folgen der Krise leicht vergessen, was da eigentlich passiert ist. Genau hier setzt Charles Ferguson erschreckende Dokumentation „Inside Job“ von 2010 an. Nicht nur gibt er einem Namen und Gesichter zu den entscheidenden Figuren der Finanzkrise der 2000er, sondern er erklärt dem ganz normalen Bürger ohne erweiterte finanzielle Kenntnisse, wie es zu der Katastrophe kam und wie es hätte verhindert werden können.
Die Doku ist eine Herausforderung und ich rate jedem dazu sie mehrmals zu sehen, da die Vielzahl der Namen und Firmen die erwähnt werden einen überfordern kann, aber genau das soll es ja auch: Unser Wirtschaftssystem ist verwirrend und kaum nachvollziehbar. Ferguson hat sich die Mühe gemacht und einen Film geschaffen der Licht in die dunklen Machenschaften und das komplexe Wirrwarr aus Beziehungen in der Finanzwelt bringt. Angefangen mit Island als Paradebeispiel für die Auswirkungen der Risiko-Wirtschaft nimmt der Film sich chronologisch die Entwicklungen ab den 1960er Jahren in den USA vor und handelt in mehreren Kapiteln die verschiedenen Abschnitte der Weltwirtschaftskrise ab die Mitte der 2000er die Welt, allen voran Amerika erschütterte.
Ferguson ist extrem kritisch und es kommen zahlreiche CEOs, Directors, andere Vorstandsmitglieder und Finanzexperten zu Wort, die immer wieder um Worte ringen auf Grund der direkten Fragen. Es hat etwas genugtuendes diese Menschen schwimmen zusehen und ist gleichzeitig wieder schockierend, dass wir in einer Gesellschaft leben die so durch Geld zersetzt wurde, dass jegliche Moral verloren gegangen ist. Ich kann mich gut erinnern, wie ich ein Mal in der Grundschule eine Mitschülerin beklaut hatte und erwischt wurde. An dem Punkt war es mir schrecklich peinlich und ich habe mich entschuldigt und in vollem Maße meinen Fehler eingestanden. Wie man es macht, wenn man erwischt wird. Nur halt nicht die steinreichen Wirtschaftler, denn die Doku deckt unzählige absolut grässliche Fehler auf und befragt die Täter, die entweder murmeln, sagen sie wollen nicht antworten oder dem Interview fernbleiben.
Es ist eine klassische Dokumentation, die an keinem Punkt technisch etwas neues bietet oder traditionelle „Doku-Regeln“ verlässt: Interviewpartner, Grafiken und Montagen kriegt der Zuschauer zusehen. Aber was den Film besonders macht ist der fantastische Schnitt, da dramaturgisch einzelne Interviewpartner mit der Zeit entlarvt werden und Ferguson ohne eine Hauptfigur auskommt. Am Ende fährt einer der Befragten, nachdem der Interviewer auf seinen „Conflict of Interest“ anspielt aus seiner Haut und wird kurz laut mit den Worten: „This isn’t a depostion sir, I was polite enough to give you time. Foolishly I now see. You have three more minutes. Give it your best shot.“ Genau das ist schreckliche an diesem System: ist jemand offen genug nach der Wahrheit zu fragen, wird es einfach ignoriert. Da sitzen erwachsene Männer die Deals gemacht haben, bei denen sie Wertpapiere verkauft haben, gegen die sie selber gewettet haben und trotzdem dann sagen, sie sehen nicht, was daran falsch sein sollte. Das niederschmetternde Ergebnis ist, dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, das Männer entlohnt die Krisen herbei führen und nicht mal die Eier haben ihre offenen Fehler einzugestehen. Der Film ist das perfekte Beispiel dafür, dass die geldgeilen Ego-Schweine da oben sich nicht vor dem „Ihr versteht das nicht“-Argument verstecken können, weil Menschen wie Ferguson uns allen Einblick bieten.
Der Film schließt mit einem Shot von der Freiheitstatue und der Erzählerstimme (Matt Damon), die vor dem Freiheitssymbol was die Einwanderer von den Decks aus voller Hoffnung sahen, erzählt „there are some things worth fighting for.“ Genau das muss man aus diesem grandiosen Film mitnehmen. Fehler müssen bestraft werden und es lohnt sich zu kämpfen…