[first published on Senfblog.de November 12th, 2012]
Die dritte Regie-Arbeit von Schauspieler Ben Affleck, „Argo“, behandelt ein sogenanntes Randkapitel der Geschichte. Der Film erzählt von der Befreiung von 6 Amerikanern aus dem Iran während der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran. Es ist ein Ensemblefilm im klassischen Gewand. Filmisch fühlt sich der Film an wie eine Mischung aus einem der „Bourne“-Filme und „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“. Trotz einiger Schwächen ist der Film insgesamt gelungen und setzt sich von Afflecks vorherigen Regie-Arbeiten „The Town“ und „Gone Baby Gone“ ab, weil er als Director dazu gelernt hat. Ihm sind Fehler unterlaufen, aber keine so gravierenden dramaturgischen wie bei seinen vorherigen Werken, dafür aber sehr fragwürdige inhaltliche.
Ben Affleck übernahm diesmal auch wieder die Hauptrolle, wobei seine Rolle nicht wesentlich mehr Präsenz hat als die anderen Rollen. Er spielt den CIA-Agenten Tony Mendez, der zusammen mit seinem Vorgesetzten O’Donnell (Bryan Cranston) 1979 beauftragt ist 6 Amerikaner aus dem Iran zu holen, die während derErstürmung der amerikanischen Botschaft in Teheran fliehen konnten. Die Erstürmung der Botschaft wird nur beiläufig am Anfang gezeigt, da der Film sich wirklich auf die Befreiung der Untergetauchten konzentriert, die irgendwo in der Hauptstadt unter gekommen sind. Mendez und seine Kollegen sind sich sicher, dass auffallen wird, dass 6 Geiseln nicht in der Botschaft sind und so sinnen sie nach einem Plan um die Amerikaner schnell zu holen, bevor die Geiselnehmer, die die Befreiung des Ex-Schahs von Persiens forderten, davon Wind bekommen. Eines Abends als Mendez fern sieht (den extrem trashigen Kultfilm „Battle for the Planet of the Apes“) kommt er auf die Idee, die auch in der wahren Geschichte die Rettung der Amerikaner werden sollte. Er plant die sechs Untergetauchten als kanadisches Filmteam zu tarnen, das im Iran für den Trash-Sci-Fi-Film Argo, Location-Scouting betrieb, und sie dann mit gefälschten Papieren aus dem Land fliegen zu lassen. Dafür holt er sich die Hilfe von den Hollywood-Experten Chambers (John Goodman) und Siegel (Alan Arkins), die die Legende von dem Film-Dreh streuen sollen. Die zweite Hälfte des Films zeigt die Ausführung dieses Vorhabens und springt zwischen dem „Filmteam“ auf der Fahrt zum Flughafen mit Mendez an ihrer Seite, dem CIA in Amerika mit O’Donnel und den Geiselnehmern die nach den 6 Amerikanern suchen. Am Flughafen in der letzten großen Szene ist der Film und auch Affleck als Regisseur auf dem Höhepunkt. In der Montage springen wir immer schneller von Ort zu Ort und bekommen so nur als Zuschauer das volle Bild des sich verkleinernden Zeitfensters und der Befreiung.
Die Kamera wurde geführt von dem mexikanischen Bilder-Genie Rodrigo Pieto der schon für Ang Lee, Spike Lee und alle Filme von Alejandro González Iñárritu arbeitete. Auch bei „Argo“ erschafft er eine wirklich einzigartige und vor allem passende Bildsprache. Wie ich im Intro andeutete, erinnern die Bilder durch die Handkamera etwas an die „Bourne“-Reihe, nur dass hier nicht übertrieben wird mit der Bewegung der Kamera. Es muss nicht jedes Bild verwackelt werden damit der Zuschauer Nähe und Authentizität vermittelt bekommt. Sonst erinnert „Argo“ an „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“ oder „Bloody Sunday“, weil er sich anfühlt, fast wie als ob er wirklich vor 30 Jahren gefilmt wurde, nur halt ein Tick stilsicherer. Es gibt einige Momente wo Affleck Gespür für Komik beweist: die Auftritte von Goodman oder aber auch die Gespräche im CIA-Headquarter wo die Lächerlichkeit der Idee offenbart wird. Bryan Cranston ist wie immer großartig und auch wenn er weniger Zeit hat, als ich mir wünschte, füllt er seine Rolle voll aus. Affleck selber spielt seine Rolle auch gut, wobei er hier in großen Teilen auch wenig machen muss und mit ernsten Blicken durch kommt. Die restlichen Schauspieler haben sehr wenig Präsenz außer Goodman und Arkins deren Auftritte aber sehr Cameohaft wirken.
Argo, so hieß das Schiff mit dem Jason und die Argonauten in der griechischen Mythologie das Goldene Vlies holen wollten. Affleck bewegt sich sehr genresicher als Thriller-Regisseur und beweist vor allem in der tollen Endszene sein Gespür für die Montage und den Ton. Was aber ein wirkliches Problem ist und auch schon in seinen Vorgängern war, ist das Affleck nicht sorgfältig mit seinen Hauptpersonen umgeht. Die sechs Amerikaner die befreit werden (der Fakt, dass ich keine Schauspielernamen nenne spricht für sich) sind so gesichtslos und man kann keine wirkliche Empathie fühlen, weil es nicht reicht ein, zwei Mal zu zeigen, dass eine Gruppe nervös an einem Tisch sitzt. Affleck lässt den Zuschauer immer nur durch andere Figuren wie die CIA oder die Geiselnehmer spüren, dass die 6 sich in einer wirklich extrem gefährlichen Situation befinden. Außerdem achtet der Regisseur nicht wirklich darauf eine faire Darstellung der geschichtlichen Ereignisse zu erzeugen. Alle Iraner werden in dem Film als eine große böse Masse gezeigt und man wird als Zuschauer typisch amerikanisch komplett unreflektiert mit dem Bild des bösen Arabers (ja ich weiß Perser) sitzen gelassen. Der Film endet mit Affleck in den Armen seiner Frau und fast unmerklich weht eine amerikanische Flagge im Hintergrund. Solche Bilder lassen mich dann doch stark an der Person Affleck zweifeln, weil es nicht zusammen passt mit den Bildern von Affleck dem Linken in Hollywood, dem offenen Unterstützer der Demokraten und dem Kritiker des Politikzirkusses. Wortwörtlich sagte er: „Wir schüren ja keine politische Stimmung. Wir erzählen eine Geschichte, die sich vor 30 Jahren zugetragen hat und deren Konsequenzen wir immer noch bewältigen”. So fände er es „furchtbar“, wenn der Streifen “zu Propagandazwecken missbraucht werden würde“ (http://www.bz-berlin.de/leute/affleck-politik-ist-ein-schmutziges-geschaeft-article1578250.html). Das ist auf der Grenze zur absoluten Dreistheit, da der Film auch wenn er als Unterhaltungsfilm funktioniert genau das macht; er ist Propaganda und schürt absolut anti-iranische Stimmung. Egal ob das unter dem Schutzmantel der Satire passiert, ist das höchst fragwürdig. „Three Kings“ von David O. Russel ist ein Beispiel für einen Film der Comedy, Politik und Action verbindet und es aber nicht nötig hat eine Ethnie so abzuhandeln wie Affleck es in „Argo“ tut. Nie wird in Afflecks-Film etwas über die politischen Begleitumstände der Geiselnahme erzählt und über Amerikas Verhalten (es gab einen Versuch mit Militär die Geiseln zu befreien). Alles wird starr aus einer Perspektive erzählt, dass aber zugegebener Maßen ganz gut.
„Argo“ ist spannend, obwohl man das Ende kennt, aber das liegt vor allem am Schnitt. Die Geschichte ist skurril und der Film fängt den Humor in dieser einzigartigen Situation wirklich gut ein. Trotzdem ist es auch wenn Affleck es anders vorgibt, ein durch und durch amerikanischer Film, genauso wie „Armageddon“ oder ähnliches und das ist bei der Geschichte wirklich nicht nötig gewesen. Man merkt, dass Affleck als Regisseur dazu lernt, aber wie hier mit einer Geschichte umgegangen wird, die politisch aufgeladen ist und die zwei Seiten hat, ist eigentlich nicht zu verzeihen.
Fazit: Schade, wieder eine Geschichte die verschenkt wurde. Ich weiß, dass alle Welt diesen Film liebt und lieben wird, aber nur weil man ein ganz großes Auge zu drückt bei einer Thematik, wo man es eigentlich nicht machen darf.